Wieder einmal bin ich auf dem Weg zum Optiker meiner Wahl, das Sehen ist eine Tätigkeit, welcher wir trotz Corona-Beschränkungen nachgehen dürfen und so ist dieser spontane Besuch in der katholischen Kirche Sankt Peter in der Jabachstrasse im wahrsten Sinne des Wortes ein Lichtblick.
Während des Gehens und Sehens betrete ich ein Kleinod der Gotik, als Kunst-Station weit über die Grenzen Kölns seit Jahrzehnten bekannt, ein besonderer Ort für zeitgenössische Kunst und Orgelmusik. Um 1525 wurde die bis heute von Jesuiten geleitete Taufkirche Peter Paul Rubens' errichtet.
Ein gewaltiger leerer Raum erwartet mich, hallend, einladend, lichte Klarheit, keine Bank stört meinen Blick, kein Stuhl, kein überflüssiges Dekor lenkt ab vom Raum, von Kunst, von mir. Wertvolle Renaissancefenster dürfen strahlen, zwei Altäre stören sich nicht, obwohl sie unterschiedlicher nicht sein könnten, Fresken kommen sanft an den Decken zur Geltung, die Trauer der wertvollen gotischen Marienskulpturen wirkt echt.
Dann zieht Liam Gillicks 'Kinetic Energy of Rigid Bodies' grossformatige Wandgrafik den Blick in den Bann. Sie ersetzt den zur Zeit in der Restaurierung befindlichen Rubens 'Kreuzigung Petri' bis
zum 6. Juni. Die entfernt an Schablonen-gesprühte Streetart erinnernde Grafik vereint abstraktes Denken, figurative Darstellung, Schmerz und Rationalität.
An genaue jener Stelle, an der sonst der qualvollste Moment des Märtyrertods gezeigt wird, sinniert Gillicks im Mittelalter stehender Wundenmann mit stoischer Miene anhand einer Formel der
klassischen Mechanik über die kinetische Energie von starren Körpern und ist somit ein Spiel mit den Gegensätzlichkeiten von Darstellungen, Erwartungen, Denkmustern in Wissenschaft, Religion und
Kunst.
Für mich der Mensch in seiner verletzlichsten wie kraftvollsten Form und überaus passend im Gesamtkontext der Erfahrungen eines jeden in dieser Corona-geprägten Zeit: wie ertragen wir Schmerz, Leid, Über- oder Unterforderung, Verlust, Trauer oder auch Einschränkungen wie Reisebeschränkungen, Ausgangsperren, Kurzarbeit, Homeoffice? Wie lange halten wir aus? Was gibt uns Kraft?
Auch Tony Matellis WEED, der hyperrealistische lebensgroße Sonnenhut, der unscheinbar aus der Wand 'wächst' gemahnt uns, genauer hinzusehen, nicht alles zu glauben, unseren Augen nicht zu trauen, an uns zu glauben.. eine Bronzeskulptur bricht in unerwünschter Weise aus Asphalt und Beton: wieder die Energie des Lebens, die sich behauptet, ein kleines, starkes Zeichen der Hoffnung, des Bestehens gegen alle Widrigkeiten.
Der "Graue Spiegel" von Gerhard Richter aus 2020 schließt den Rundgang der Entdeckungen an lichtem Ort, zeigt scheinbare Abbilder des Sehens, Erfahrens und Begreifens für und durch einen jeden Betrachter selbst und rundet somit die Erfahrung des ganzen Ortes an diesem Tage: DON'T WORRY_Sorge Dich Nicht.
Geöffnet Mi-So 12-18h
Geschlossen Mo-Di und 14.7.-14.8.2021
Kunst-Station Sankt Peter
Jabachstrasse 1
50676 Köln
https://www.sankt-peter-koeln.de
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