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Das Antlitz des Menschen - Kunst als Überlebensstrategie

Gestern nachmittag besuchte ich anläßlich der Vernissage Bertamaria Reetz „Menschen und Begegnungen“ erstmalig die Pfarrkirche St. Theodor in Köln-Vingst, dem wohl ärmsten Stadtteil Kölns, bekannt durch das HÖVI-Land und den überaus engagierten Pfarrer Franz Meurer, der die Ausstellung in „seiner“ Kirche eröffnete.

 

Die beeindruckende Arbeit eines wirklichen Seelsorgers kann man seit Jahren im Stadtteil verfolgen, sinnbildlich auch das architektonisch beeindruckend offene, einladende Gotteshaus, in dem Seelsorge unmittelbar spürbar gelebt wird. Es werden Bücher verschenkt, Stadtteil-Kinder einmal im Jahr mit etwas Kirmes-Geld ausgestattet, Mittagessen gestiftet, Hausaufgaben betreut, Kunst gezeigt, sinnvolle Gottesdienste abgehalten und vieles mehr..

 

Der Künstlerseelsorger und Prälat Josef Sauerborn führte kenntnisreich und verständlich in das Werk von Bertamaria Reetz ein, er zog gekonnt den biographischen Bogen von ihren persönlichen Brüchen zu den ergreifenden großformatigen schwarz-weiss Portraits - einer eher dunkleren Phase im Leben der Künstlerin. Jedes Porträt zeigt uns die in ihm und in der Schaffenden liegende Emotion - der Mensch in seiner Würde, seiner Verletzlichkeit - das Antlitz des Menschen eben. Die Bewußtwerdung der eigenen Sterblichkeit manifestiert die Überlebensstrategie der Malerin. 

 

Dazu die, dem Betrachter abgewandten Handskulpturen, eine Gruppe von in die Luft, zum Bild, greifenden Händen - die Hand als das Mittel des Schaffenden ist wiederum Metapher für das Leben und auch die Verbindung zum Bild - denn Bertamaria Reetz nutzte ausschließlich ihre Hände zum Schaffen dieser Werkserie. Intuitiv, kräftig, impulsiv, fast roh, dennoch ungemein empfindsam und subtil.

 

Der raue Beton der Kirche als Bild-Hintergrund harmoniert mit der rauen Bild-Oberfläche, spricht uns doch beides absolut unmittelbar, in der puren Struktur, geradezu dreidimensional an.

 

Mythologische Motive und Bilder der Weissen Serie runden die kleine Retrospektive ab, und auch die Schafe der Blauen Friedensherde, mit der die Künstlerin parallel seit 2009 durch Europa tourt, dürfen nicht fehlen. Jedes ein Symbol für den Frieden und die Völkerverständigung - gestaltet sie doch immer wieder mit Kindern und Jugendlichen künstlerische Mitmachaktionen.

 

Prälat Sauerborn verwies  am Schluss seiner Einführung deutlich auf die Muße, die man (im Leben) mitbringen möge, um wirklich zu sehen - das Universum eines jeden Bildes als das Universum in uns selber wahrnehmen - selten genug gelingt es - hier hat jeder die Chance.

 

 

 

Noch bis zum 10. November 2019

Pfarrkirche St. Theodor

Burgst. 42

51103 Köln-Vingst

Sonntags 12-13h & Donnerstags 18-19h

 

www.bertamaria-reetz.de

www.blauschaeferei-reetz.de

 

Fotos© Wolfgang Ludwig, Stephanie Jancke

 

 

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