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Round & About The Magic City_Miami

 

REDE ZUR Vernisssage und Buchvorstellung AM 05_09_2014        
KARL MARIA UDO REMMES,
von DR. Winrich Meiszies, Direktor Theatermuseum Düsseldorf

„Sie mögen sich vielleicht wundern, dass ein Theaterwissenschaftler hier zu Ihnen über Fotografie spricht, aber, meine Damen und Herren, Theater spiegelt wie keine andere Kunstform das Leben –

wenn das Leben seinem Wesen nach Veränderung ist.

 

Zum Anderen darf ich für mich das Privileg in Anspruch nehmen, eines der ersten Museen zu leiten, das Arbeiten von Udo Remmes zu seinen Beständen zählt. Die besondere Qualität, die mich zum Erwerb der Theaterfotografien von Dr. Remmes getrieben hat, lässt sich auch in seinen anderen fotografischen Arbeiten wiederfinden, so dass es mir gar nicht schwerfallen muss, Sie hier und heute Abend auf das Werk des Reisefotografen Udo Remmes aufmerksam zu machen.

 

Was macht die Qualität des Fotografen aus – außer der Kamera, dem wichtigen Arbeitsuntensil, das man mehr oder weniger teuer erwerben kann? Neben  dem technischen Verständnis für die Möglichkeiten der Kamera ist es der Blick, den er auf die Dinge richtet, ist es der Blickwinkel, den er zu den Dingen einnimmt. 

 

Das Objekt der fotografischen Darstellung fällt nicht vom Himmel, nicht vor die Füße des Fotografen. Der Fotograf stellt sich ihm, begibt sich in eine Beziehung zu ihm – und diese Beziehung ist es, die sich in einer guten Aufnahme dem Betrachter übermittelt. 

 

So wie der Blick von unten auf die gekurvte Fassade eines Miami-Hotels Schutz und Bedrohung, für den, der sich unter dieses Dach begibt, bedeuten kann; Eleganz des von Menschenhand errichteten Baues genauso wie Gewalt gegenüber dem Eingriff des Menschen in die Natur und die sozialen Verhältnisse der Städte. Udo Remmes ist ein Meister – obwohl er das selbst weder von sich behaupten, noch vielleicht sogar an sich bemerken würde – ein Meister der Dialektik. Allein schon der Untertitel der Bilderserie „The Magic City“ spiegelt einen immanenten Widerspruch: Magie zieht uns an, macht uns neugierig – gleichzeitig verunsichert sie uns, stößt auf unsere Ablehnung.

 

Ihren Ausdruck findet diese Dialektik verstärkt in einer weiteren Qualität des Fotografen: dem Timing der Aufnahme. Der Zeitpunkt bringt das Objekt nicht nur mit dem Fotografen sondern auch mit weiteren Objekten in eine Beziehung und ist so in der Lage, eine spürbare, erlebbare Spannung  zu erzeugen, die dem Bild eine Tiefe gibt (durchaus auch räumliche Tiefe) und damit dem Betrachter zu einer Erlebnistiefe verhilft, die oftmals zum Wandern des Blicks über oder besser durch das Bild  verführt.

 

Bei Udo Remmes begegnen sich zwei Männer auf einer Straße. Was vielleicht in den Straßen Miamis ein Augenblick des „passing by“ ist, ist für uns eine Gelegenheit, darüber nachzudenken, wo sie herkommen und wo sie im nächsten Augenblick sein mögen. Das gute Bild erfasst mehr als nur den Augenblick, es erzählt eine Geschichte. 

 

Hinter den Hotelburgen liegen die von Elektrokabeln überspannten Wohnstraßen der eingeborenen Stadtbewohner und unterscheiden sich nicht von den Straßenansichten der Landstädtchen im Mittleren Westen der USA. Die Ansicht vom Meer auf die Stadt erscheint geschichtet: Strand, grüne Küstenvegetation, Hotelbauten – und dazwischen der Mensch wie in einem Niemandsland. Dicht am Wasser verlieren sich die Menschen in Gischt und wirbelndem Sand. Ein gegen das Meer gelenkter Pickup hält als Fremdkörper stand. Zerzauste Palmen bieten kaum Schatten gegen eine unbarmherzig erscheinende Sonne. 

Die Everglades werden zur Bühne für Bootsführer und Krokodile gleichermaßen, die ihre Symbiose durch expressive Körpersprache gegenüber den ihnen ausgelieferten Touristen vertuschen.

 

Ist Miami echt, ist es eine Kulisse für den Traum vom ewigen Sommer? Udo Remmes’ Bilder beziehen keine eindeutige Position. Sie lassen Raum für eigene Entdeckungen. Lassen Sie sich also mitnehmen auf die Reise nach Miami, lassen Sie sich die vielfältigen Geschichten dieser Stadt erzählen, lassen Sie sich einnehmen und folgen Sie dem Fotografen durch eine Stadt, von der wir unsere (vielleicht feste) Vorstellung haben. Und wenn seine Bilder gut sind, werden sie unsere eigenen Bilder im Kopf verdrängen, und in 20 Jahren werden wir uns eher an das fotografische Abbild erinnern als an die Wirklichkeit Miamis. 

Die Amerikaner wünschen, wenn sie eine Mahlzeit servieren, ‚Enjoy’ - ‚Geniessen Sie es’.

 

 

Und das wünsche auch ich Ihnen heute Abend: Enjoy!“

 

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